@ Diakonie

Sehr geehrte Frau Loheide,

besten Dank für Ihre freundliche Antwort auf unser Schreiben vom 11. 05. 2012. Gerne werde ich Ihr Angebot nutzen und Ihnen unsere Ansicht der Sachlage im Einzelnen erläutern.

  • Für die Diakonie schließen sich Elternbindung/-verantwortung und Kinderbetreuung ( gemeint ist familien-ferne Betreuung ) nicht aus, und Sie bestätigen, dass die Qualität der Eltern-Kindbeziehung ein entscheidender Faktor für die Entwicklung von Bindung ist. Die Diakonie aber übersieht den Faktor Zeit. Ein 1-3-jähriges Kind kann sich erst binden, wenn es – wissenschaftlich erwiesen – an die hundertmal täglich sich der Präsenz, der Aufmerksamkeit, der Zuneigung, des Trostes seiner Eltern vergewissern darf.   Hierzu braucht es 24 Stunden am Tag, was keine Generation von Eltern jemals bezweifelt hat. Fehlen die Eltern, ist das Kind irritiert und fühlt sich verschaukelt. Bindung? Fehlanzeige! Vielleicht bindet sich das Kind in der Krippe aus Not an die mütterliche Erzieherin, wird dann aber wiederum gezwungen, sich abends mit Schmerzen von ihr zu trennen. Der Trennungsschmerz und das Gefühl, nirgendwo bedingungslos erwünscht zu sein, macht Kinder fertig. Ich kann das nach drei Jahrzehnten Arbeit im Kinderheim bestätigen. Die Schäden der frühen „Auslagerung“ werden die Kinder und ihre künftigen Partner und deren Kinder wieder unter Schmerzen auszubaden haben. Zeit miteinander wünscht sich jedes Liebespaar. Ohne Zeit stirbt die Bindung, stirbt die Liebe. Wie viele Ehen sterben aus Mangel an Zeit füreinander?

Warum begreift das ausgerechnet die Diakonie nicht?

  • „Uns geht es in erster Linie darum, allen Kindern gute Bildungschancen  und qualitativ hochwertige Bildungsangebote von Anfang an zu ermöglichen“. Jeder Kinderarzt sagt Ihnen, dass Kinder in diesem frühen Alter alles andere als Bildung brauchen, sondern Nestwärme und die Präsenz ihrer Bezugsperson    ( Stimme, Geruch, Hautkontakt, steter Blickkontakt, Trost ). In jedem normalen Haushalt findet das Kind genügend Anregungen, sein Interesse zu entfalten. Die 1:1-B i n d u n g  des Elternhauses kann keine Krippe leisten. Also, man sollte nicht familienferne Betreuung schönfärberisch als „frühkindliche Bildung“ verkaufen. Und man sollte umgekehrt den Elternhäusern ihre Bildungskompetenz nicht absprechen.  Auch die Diakonie weiß, wie schlecht die Krippenbetreuung in Deutschland beurteilt wird. Eine kollektive Kinderbetreuung kann ja schon rein rechnerisch nicht so effektiv sein, wie die personalintensive elterliche  Betreuung
  • Die Diakonie wünscht sich für Familien verlässliche Betreuungsangebote zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Voraussetzung für  „Wahlfreiheit“. Hier geht es wiederum nicht um das Kind, sondern um die Wahlfreiheit der Mutter.  Diese Wahlfreiheit soll von Staats wegen allerdings nur für ein Drittel aller Mütter gelten, denn nur für ein Drittel aller Babys ist eine Ganztagsbetreuung vorgesehen. Auch wenn  ab 2013 dann 34% aller ein-bis zweijährigen Kinder mit Krippenplätzen versorgt sein werden, haben 66% aller Mütter noch immer keine Wahlfreiheit. Denn sie machen ihre Erziehungsarbeit unter gewaltigen finanziellen Einbußen sozusagen ehrenamtlich. Wahlfreiheit für Mütter sehen wir erst dann gegeben, wenn selbst geleistete Erziehung vom Steuerzahler genauso honoriert wird wie Betreuung außerhalb der Familie.  Dass ausgerechnet die Diakonie diese Gerechtigkeitslücke ausblendet, befremdet Familien sehr. Wir reden hier nicht einem Betreuungsgeld, das noch nicht einmal geregelt ist, das Wort. Uns geht es um G e r e c h t i g k e i t.  Für einige unserer europäischen Nachbarn ist diese Debatte nur noch grotesk und lächerlich. Ohne bürokratische Kopfstände zahlen sie an Familieneltern bis 550 Euro bar bis zum 3. Geburtstag des Kindes. Frankreich bietet Eltern zusätzlich noch ein ganzes Spektrum an  finanzieller Entlastung – und kein Aufschrei der Nation!
  • Die Diakonie plädiert dafür, dass die Gelder, die für die elterliche Kinderbetreuung als Betreuungsgeld vorgesehen sind, in die qualitative Ausstattung der Krippen investiert werden. Unsere Ansicht: Ein Staat, der flächendeckende Kinderbetreuung für ein Drittel aller Kinder verordnet, sie aber qualitativ nicht leisten kann ( Personalgehälter wie Müllmänner, unzureichender Betreuungsschlüssel, unzureichend ausgebildetes Personal etc.), der hat sein Ansehen verspielt. Zum anderen: Was hat der deutsche Staat mit dem Geld getan, das er seit 1970 durch den immensen Geburtenmangel ( seither hat sich die Geburtenzahl halbiert) einspart?  Mit der so genannten „demographischen Rendite“ könnte man heute eine Luxuskinderbetreuung und ein gleichwertiges Erziehungsgehalt an Eltern bezahlen. Die Frage nach der Finanzierbarkeit hat sich somit erledigt.
  • Werte Frau Loheide, wenn die Kirchen nun auch noch mit den Mainstream-Wölfen heulen, verraten sie doch ihr eigenes soziales Ethos. Nach unserem Verständnis müssten die Kirchen Sand im Räderwerk der Entfamilisierung sein und der ökonomischen „Verwertbarkeit“ von Eltern und Kindern Widerstand entgegensetzen. Inzwischen haben Wirtschaft und Politik längst  aufgehört, das Hohelied der Selbstverwirklichung zu singen, um Mütter in die Erwerbsarbeit zu locken. Heute werden Mütter übelst diffamiert, wenn sie  als selbstbestimmte emanzipierte Frauen ihren Kindern ein paar Jährchen Geborgenheit schenken wollen. Arbeit zählt nur noch als Erwerbsarbeit. Familienarbeit ist in ihren Augen verplemperte Zeit. Fast jede Frau will wieder zurück in ihren Beruf,  z u v o r  aber will sie nicht nur Mutter werden, sondern für einige Jahre ohne finanzielle Benachteiligung auch Mutter sein. Sie will ihre Familie selber organisieren und nicht unter Zeitmangel und der Knute des Arbeitsmarktes vereinbarkeitskompatibel funktionieren müssen. Sklaverei haben wir emanzipierten Mütter nicht verdient!

Damit grüße ich Sie im Namen der mit uns in der ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT verbundenen Eltern in der Hoffnung, dass ich Ihnen unsere Sicht auf die unsägliche BG-Debatte vermitteln konnte. Bitte reichen Sie diesen Brief an die Chefetage weiter!

i. A. Bärbel Fischer

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