Störe meine Greise nicht!

Mit welchen Hetzparolen sie auch gegen das Betreuungsgeld gewettert haben, es sei schwachsinnig ( Steinbrück) und koste viel zu viel Geld, auf einmal sind die Milliarden da. Natürlich sei es jedem Rentner gegönnt, dass er ein paar Euro mehr bekommt. Er/ Sie hat dafür auch geschuftet, ein Leben lang.

Sollen aber die Jungen deshalb schweigen im Angesicht der immensen Lasten die auf sie zukommen? Vielleicht resignieren sie schon, denn sie sind inzwischen  in der Minderzahl. Und mit Minderzahlen kann man keine Wahlen gewinnen.

Auch wenn er lang ist, so lohnt sich die Lektüre  dieses  Artikels: http://www.wiwo.de/politik/deutschland/demografie-die-jungen-halten-still-seite-all/7304386-all.html

Leseprobe:

“ …  Bereits heute fließt mehr als ein Drittel des Bundeshaushaltes nicht in Zukunftsinvestitionen, sondern geht für Zinsen und Rentenzuschüsse drauf. Dabei haben die Jungen längst das Gefühl, dass sie auf sichere Renten und eine gute Infrastruktur selbst nicht mehr hoffen dürfen. Die Politik wendet sich lieber den Alten zu, auch aus eigenem Interesse: Schon heute ist jeder dritte Wähler älter als 60. Bis 2050 wird sich ihr Anteil noch verdoppeln. Und anders als die Jungen pilgern die Senioren auch treu ins Wahllokal. Das Motto des Wahlkampfes lautet daher: Störe meine Greise nicht. Schon gar nicht mit Debatten über hohe Schulden oder die Finanzierung sozialpolitischer Mildtaten….

5 Gedanken zu „Störe meine Greise nicht!

  1. Da ich selbst zu den „Greisen“ gehöre, ärgert mich der Ton dieses Artikels sehr. Weil ich immer in die Zukunft investiert habe:3 Kinder aufgezogen, davon eines mit Behinderung,langjähriger Pflege meines Schwiegervaters, mit selbst bezahlter Ausbildung als Seelsorgerin, die keine Honorare bekommt sondern einfach für Menschen da ist—bekomme ich jetzt eine stolze Rente von 180 Euro im Monat. Zugegeben: da spielen 1% mehr auch keine Rolle mehr, aber die Geste zählt.
    Viele “ Greise“ haben Deutschland nach dem Krieg unter großen Entbehrungen wieder aufgebaut und leben jetzt von kleinen Renten, mit denen man wahrlich keine Sprünge machen kann.
    Warum jetzt diese unnötige Häme?
    Damit tut ihr eurer guten Arbeit für Familiengerechtigkeit wahrhftig keinen guten Dienst.

  2. Ja, Frau Müller, Sie haben recht. Ich hatte mich im Ton vergriffen. Wenn Häme, dann galt sie niemals den Rentnern, sondern denen, die eine Rentenerhöhung gezielt erst dann einsetzen, wenn es ihnen Vorteile bringt. Ich habe den Vorspann bereinigt. Es tut mir leid, wenn Sie und andere alte Menschen sich verletzt fühlten. Nie war das meine Absicht, und ich entschuldige mich ehrlich. Auch in unserer Initiative gibt es alte Menschen bis über 80. Jeder freut sich über die Würdigung seiner Lebensleistung. Und eine solche müssen junge Menschen erst mal erbringen. Dass ihnen Wirtschaft und Politik dies ungleich schwerer machen als uns in den Sechzigern, das können wir nicht leugnen. Auch die Gründung einer Familie ist für viele junge Leute heute erschwert. Diesen gilt unser Engagement. Woher soll denn der Nachwuchs kommen?

    Dass das Rententhema jetzt von den Parteien instrumentalisiert wird, um Wahlen zu gewinnen, das konnte man sich anhand der demografischen Entwicklung schon ausrechnen. Die Frage aber bleibt: Investieren wir n u r in Rollatoren oder wollen wir zusätzlich a u c h und vor allem in Kinderwagen investieren? Reicht unser Geld nicht für beides angesichts der Milliarden zur Rettung von Banken?

    Darum, Frau Müller, geht es uns. Nehmen wir die Ängste der jungen Leute noch wahr oder sind sie uns bereits schnuppe?

    Im Januar wird sich in Berlin wieder der Demografie-Gipfel treffen. Auf der Agenda stehen Worte wie „Familie“ oder „Eltern“ oder „Kinder“ nicht mehr, auch nicht das Wort „Generationengerechtigkeit“. Wir lesen statt dessen: Vereinbarkeit, Zuwanderung, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung, Stärkung der Wirtschaft….

    Ja, wenn das so ist……?

    Für Ihren Nasenstüber, Frau Müller, bedankt sich
    Bärbel Fischer

  3. Sehr geehrte Frau Müller,
    mich beeindruckt Ihre Lebensleistung. Darum kann ich Ihre Sensibilität und Empörung auch verstehen.
    In der Tat gehören ältere Frauen ohne Erwerbsbiographie, die jedoch Kinder großgezogen und Angehörige gepflegt haben, zu den größten Verlierern in unserem System. Diese Ungerechtigkeit ist kaum mehr zu überbieten.
    An einem Ihrer Sätze habe ich mich jedoch gestoßen. Er ist vor allem beliebt in Lobbykreisen der älteren Generation und bei Politikern.
    Sie schreiben: „Viele „Greise” haben Deutschland nach dem Krieg unter großen Entbehrungen wieder aufgebaut.“
    Obwohl auch ich längst im Ruhestand bin und der Alten-Generation angehöre, stoße ich mich an diesem Satz aus mehreren Gründen.
    Aus Kindertagen sind mir Hungergefühle sehr bekannt oder auch Kleidung, die heute als Lumpen bezeichnet würde. Dennoch empfände ich es als falsches Bild, wenn ich von einer Zeit voller Entbehrungen redete. Meinen Kindern und Enkeln schildere ich sie eher als glücklich. Sie war zwar arm an Konsum, aber reich an Wichtigerem. Der menschliche Umgang war z.B. unvergleichlich angenehmer als heute und wir Kinder genossen eine große Freiheit, obwohl mehr Strenge herrschte. Meist spielten wir unbeaufsichtigt draußen – ansonsten mal in dieser oder jener Familie – je nachdem, wonach uns der Sinn stand. Überall waren wir willkommen und wurden von den Eltern unserer Freunde und Freundinnen ähnlich erzogen wie von den eigenen Eltern. Gebote und Verbote waren allgemein gültig und wechselten noch nicht von Tür zu Tür – je nachdem, welchem Ratgeber die Eltern folgten. Diese Übereinstimmung sorgte in unseren Köpfen für Sicherheit und Verlässlichkeit, auch wenn wir heimlich durchaus mal über die Stränge schlugen.
    Das, was ich als sog. Flüchtlingskind aus Ostpreußen in der Nachkriegszeit „entbehrte“, war nichts im Vergleich zu dem, was viele Kinder heute entbehren müssen: unter anderem Mütter, die immer da sind, wenn man sie braucht und die ein gesundes Gespür für das Notwendige haben, aber auch für das Überflüssige.

    Deutschland wurde nicht von mir mit aufgebaut, sondern von den Generationen vor mir, von denen es nur noch wenige Überlebende gibt. Und diese Generationen haben meiner Erinnerung nach nie davon gesprochen, Deutschland aufbauen zu wollen. Den Kopf zerbrochen und angestrengt haben sie sich immer für die eigenen vier Wände. Auch der Arbeitslohn floss in die persönlichen Bedürfnisse. Die Summe aller privat und staatlich errichteten Wände führte dann automatisch zum Aufbau Deutschlands.
    Am meisten stört mich an dem geflügelten Satz von den Alten, die unter Entbehrungen Deutschland wieder aufgebaut haben, dass er häufig einer moralischen Erpressung der jüngeren Generationen dient. Wie sollen die sich aber gegen ein solches Totschlagsargument wehren, wenn sie die Zeit nicht selbst miterlebt haben und jeder Einwand als kaltherzig und respektlos den Alten gegenüber gilt?
    Weil den Jungen quasi der Mund verboten ist, müssen gerade die „Greise“ sie vor Zwängen dieser Art schützen. Wer wäre dazu wohl geeigneter und berufener als wir?
    Die Zukunft der jüngeren Generationen ist aus meiner Sicht erheblich düsterer als die unsrige damals im hoffnungsfrohen Nachkriegsdeutschland mit einer Aufbruchsstimmung, die längst verflogen ist und Ängsten Platz gemacht hat.

    Ich hoffe, Frau Müller, dass ich mich verständlich ausgedrückt und Sie nicht verletzt habe. Ihre Lebensleistung scheint mir aber so groß, dass sie meinem Erachten nach durch den Satz vom Wiederaufbau Deutschlands nur geschmälert wird. Er ist zu abgedroschen und gilt ausnahmslos für alle, die einfach nur alt sind.

  4. liebe Frau Prasuhn, ihren Ausführungen kann ich nur zustimmen. Ich frage mich oft, mit welchem Recht wir „Alten“ den heutigen Jungen einen gewaltigen „Scherbenhaufen“ hinterlassen, weil viele Entscheidungen einfach in die Zukunft verlagert werden – egal ob Umweltschutz, Energie, Pflege, Gesundheit, Altersarmut, ESM, demografischer Wandel, veränderte Arbeitswelt etc. damit WIR heute noch „gut“ leben können.
    Ohne die Leistungen der Krieg- und Nachkriegsgeneration schmälern zu wollen, ich würde einen Aufstand der „Jungen“ verstehen..

  5. @Ursula Prasuhn
    Auch ich möchte Ihren Worten zustimmen.
    Vor einiger Zeit sah ich im Fernsehen eine Sendung über ein paar junge arbeitsunwillige türkische Männer. Der Korrektheit halber möchte ich anmerken, dass es auch arbeitsunwillige deutsche Männer gibt.
    Sie wurden gefragt, warum sie sich denn so wenig um Ausbildung und Beruf kümmerten. Die übereinstimmende Antwort lautete sinngemäß: Keine Lust, wir haben ja doch keine Chance. Arbeiten ist Sch….
    Ein junger Mann meinte dann noch: „Mein Vater hat Deutschland mit aufgebaut, da könnten die Deutschen mal dankbar für sein.“
    Dieser Satz kam mir wieder in den Sinn, als ich die Kommentare hier las.
    Er zeigt, dass auch andere den Hinweis auf die Beteiligung beim Aufbau Deutschlands zu nutzen wissen. Der junge Mann schien übrigens fest überzeugt von der Berechtigung seines moralischen Anspruchs.
    Seit dieser Sendung gibt mir der Satz zu denken.
    Die Alten täten wahrscheinlich gut daran, wenn sie ihn nicht mehr gebrauchten, und auch andere darum bäten, ihn aus der Rhetorik zu streichen. Er ist zu anfällig für Missbrauch und Taktik.

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