Minenfeld Familienpolitik

Sehr geehrte Frau Lennartz!

5. Februar 2013  Ganz passend versahen Sie Ihren  Kommentar in der Schwäbischen Zeitung mit dem Titel: Minenfeld Familienpolitik. Es fragt sich nur, wer die Minen legt.

Zu einzelnen „Minen“ hier unsere Ansicht:

Der Familienreport des Bundesfamilienministeriums 2012, S. 45 korrigierte höchstselbst die medial verbreitete Story von 200 Mrd. Familienförderung auf 55 Mrd.: „Von den 125,5 Mrd. Euro für familienbezogene Leistungen können lediglich 55,4 Mrd. Euro als Familienförderung im engeren Sinne bezeichnet werden. Dies ist der Bereich, auf den sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in erster Linie konzentrieren kann.“ Die hohe Milliardensumme ergibt sich erst, wenn man alle jugendfördernde Maßnahmen, z. B. für Bildung, oder Hinterbliebenenrenten mit einrechnet, die aber mit dem Familienlastenausgleich nichts zu tun haben.  Trotzdem beginnen alle Diskussionen immer mit der  Behauptung, Familien werde das Geld unsinnig  nachgeschmissen, anstatt es in den öffentlichen Betreuungssektor zu transferieren.

Über direkte Steuern finanzieren sich die Eltern zu 2/3 ihr Kindergeld selbst                        ( Rückerstattung bereits einbehaltener Steuern auf das Existenzminimum ihrer Kinder). Dazu kommen indirekte Steuern auf den Verbrauch (19% Mwst.) in der selben Höhe. Damit führen Eltern an die Staatskasse pro Kind und Monat 80 € mehr an Steuern ab, als sie mit dem Kindergeld  heraus bekommen. Ein satter Gewinn für den Finanzminister!

Vollzeitmütter sollen künftig nicht mehr krankenversichert sein. Sie werden also gezwungen sein, eine Vollerwerbsarbeit zu suchen, egal, wie viele Kinder sie zu versorgen haben. Auch wenn 80% der Eltern und fast alle Kinder nach mehr Zeit für die Familie rufen, hier greift der Staat widerrechtlich über die Lenkung der Finanzströme in die Autonomie ( Art. 6 GG ) der Familien ein und raubt ihnen die Familienzeit.

Ebenso zielt die Streichung des Ehegattensplittings  darauf ab, Mütter in den Erwerb zu zwingen, denn künftig wird der Alleinverdiener doppelt so hohe Lohnsteuern zu entrichten haben. Dies trifft  Familien mit mehreren Kindern besonders hart. Künftig werden also Eheleute nicht mehr füreinander einstehen, sondern dem Steuerzahler diese milliardenschwere Aufgabe aufhängen.

Als unverzeihlich werten wir, dass keine einzige Studie bisher aufzeigt, welche gesellschaftlichen und finanziellen Leistungen Familien für den Staat  e r b r i n g e n. Die gängigen Kosten-Nutzen-Bilanzen  fragen ausschließlich nach dem unmittelbaren Erfolg der Investition anhand der Geburtenrate, anstatt aufzuzeigen welchen   G e w i n n  Familien l a n g f r i s t i g für den Staat schöpfen. Es läuft mir zwar der kalte Schauder über den Rücken, wenn wir Menschenleben in Gewinn und Verlust bewerten. Aber die nackte Realität ist eben die, dass der Staat  l a n g- f r i s t i g von jedem geborenen Kind 77 000 € profitiert ( ifo ). Das wird aber in den Medien tunlichst verschwiegen.  Mit der besagten Studie ist hirnrissigerweise ein Wirtschaftsinstitut ! beauftragt worden. Als ob von Ökonomen langfristige Lösungen erwartet werden dürften!  Für die Wirtschaft zählt nur die sofortige Rentabilität, die ihre Aktionäre fordern. Da können, Frau Lennartz,  noch so viele Studien erstellt werden, wenn man nur den Kostenfaktor betrachtet, und nicht den langfristigen Nutzen, dann kann man sich die Mühe sparen! Dabei will ich nicht vergessen, dass der gesellschaftliche und kulturelle Gewinn, den Kinder durch die liebevolle individuelle Erziehung ihrer Eltern einfahren, unermesslich ist, es gibt dafür kein Maß.

Sie werden heute die Antworten von Frau Schröder im Interview mit der Schwäbischen Zeitung gelesen haben. Frau Schröder duckt sich nicht weg, sondern sie widersetzt sich der bodenlosen Anmaßung wirtschaftlicher Interessen. Genau wie sie sind wir von der ELTERNINITIATIVE der Ansicht,  dass Familienpolitik nicht zum Trabanten der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik verkommen darf, sondern sich   langfristig und n a c h h a l t i g  um das Wohlergehen von Eltern, Kindern und alten Menschen zu kümmern hat.

Im Auftrag der ELTERNINITIATIVE grüße ich Sie mit der Bitte um Ihre Stellungnahme freundlich

Bärbel Fischer

 

 

 

 

5 Gedanken zu „Minenfeld Familienpolitik

  1. Zum Ehegattensplitting: In Frankreich wird uebrigens eine einfachere und gerechtere Art des Ehegattensplitting verwendet. Der Gesamtlohn wird durch (2 + 0.5*n) geteilt, wobei n die Anzahl der Kinder ist. Dieser geteilte Lohn wird dann benutzt, um den Lohnsteuersatz zu bestimmen. Gerechter ist dies, weil es keine Person mit Steuerklasse 5 gibt und auch nur geringe Zuverdienste der 2. Person sich lohnen (und es sich trotzdem um „normale“ sozialversicherungspflichtige Beschaeftigung handelt und nicht um 400EUR Jobs). Noch gerechter waere allerdings durch (2+n) zu teilen…

    Zur Untermauerung des Zusammenhangs zwischen demographischer und wirtschaftlicher Entwicklung:
    http://www.ofce.sciences-po.fr/blog/?p=2586

    Trotzdem ist es meiner Meinung nach wichtiger, den oeffentlichen Betreuungssektor zu staerken, als unsoziales Elterngeld (ist ein Kind eines Geringverdieners oder einer Mutter, die noch das 1. Kind betreut, weniger wert?) oder unsoziale Kinderfreibetraege (warum ist ein Kind eines Gutverdieners mehr wert?) zu forcieren. Dies trifft allerdings nicht auf das Kindergeld zu. Viele Frauen wollen gerne Kinder bekommen, ohne im Beruf voellig abgeschrieben zu sein. Dazu sind genuegend Betreuungsmoeglichkeiten unabdingbar. Auch darf die Familienpolitik nicht jedes Jahr ihr Faehnchen nach dem Wind schwenken. Es muss Planungssicherheit herrschen.

    Interessant auch: Unterschiedlicher Kita-Ausbau in den unterschiedlichen Bundeslaendern: http://www.laendermonitor.de/grafiken-tabellen/indikator-2-betreuungsplaetze-fuer-unter-dreijaehrige-ausbauentwicklung/indikator/2/indcat/2/indsubcat/38/index.nc.html?no_cache=1

    Warum leisten sich reiche Bundeslaender nicht mal was fuer ihre Kinder?

    • @n8igall
      was bisher in keiner Studie bewiesen werden konnte ist, dass die Ferilitätsrate automatisch mit der Anzahl der Betreuungsplätze steigt. Im Gegenteil: in Ostdeutschland, wo die Betreuungsdichte am Höchsten ist, fiel die Geburtenrate um 30 % !!!!!!!! Es scheint also noch andere Gründe für die Fortpflanzungsverweigerung zu geben.
      Deshalb kann ich „reiche Bundesländer“- die jedes Jahr Milliarden in den Länderausgleich buttern – durchaus verstehen, die ihren Verstand einsetzen und die Effektivität der eingesetzten Mittel mit den Zielen des Gewünschten überprüfen. Der gesetzlich verankerte Betreuungsanspruch lässt die Kommunen ausbluten! Folglich hat der Städte und Gemeindetag bereits die Abschaffung aller sonstigen Familienleistungen gefordert als Kompensation für die neu zu erbringenden Leistungen.
      Dies führt dazu, dass viele Bundesländer sich alles Mögliche leisten z.B. Flughafen, Stuttgart 21, Rennstrecke Nürburgring – AUSSER KINDER!!!

  2. Wie gesagt, Frankreich hat eine Fertilitaetsraete von ueber 2.0 (Deutschland um die 1,3). Dort ist die Betreuung besser. Wir haben dort fast 4 Jahre gelebt. Das Angebot muss natuerlich langfristig gelten (Planungssicherheit).

  3. Noch was: fuers erste Kind bekommt man in der Regel in Frankreich 0 EUR (also kein Kindergeld). Wenn man wenig verdient, bekommt man gestaffelt nach Einkommen (je weniger desto mehr) Zuschuesse. Ab dem 2. Kind bekommt jedermann Zuschuesse. In Deutschland ist jede Familie mit 2 Kindern gestraft. Oft bekommt die Frau nur noch den Mindestsatz an Elterngeld, da sie zwischendurch nicht gearbeitet hat.

    Natuerlich ist auch nicht alles super in F. So sollen Frauen z.B. nach 2,5 Monaten wieder arbeiten (und das machen auch sehr viele, vermutlich die meisten). Das finde ich etwas frueh (12-18 Monate waeren besser, davor interessiert sich das Kind eh nicht fuer andere Kinder). Aber es gibt viele Sachen, die in Frankreich besser laufen (Kindergarten z.B. ist gesetzlich garantiert und kostet 0 EUR in ganz F).

    • Also liegt es offensichtlich doch nicht nur am französischen Betreuungsangebot, sondern eben auch daran, dass Familien mehr Geld in der Tasche haben und somit finanziell besser ausgestattet sind.
      Das Betreuungsangebot – in welchem Land auch immer – hat noch nie den Magen gefüllt, Miete und Strom bezahlt, Schulbedarf und -ausflüge beglichen. In Deutschland ist das Reallohneinkommen seit Jahren rückläufig – d.h. zwei Leute müssen jetzt für das Geld arbeiten, was vorher eine Person verdient hat. Wenn das in Frankreich ankommt, wird sich die Ferilitätsrate auch verändern.

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