Plauderstündchen

Betrifft SWR Nachtcafé, 21. 10. 2016

 

Sehr geehrter Herr Steinbrecher,

 

soeben habe ich Ihre Sendung Nachtcafé´ vorzeitig ausgeschaltet, weil ich  nicht ertragen kann, dass die ganze Diskussion den wesentlichen Punkt für die Rente ignoriert. Alle Teilnehmer tun so, als würden sie im Alter zurück bekommen, was sie eingezahlt haben, so, als sei die Rentenversicherung eine Kapitalanlage. FALSCH! Was heute eingezahlt wird ist morgen bereits an die gegenwärtigen Rentner ausbezahlt. Mit dem Umlagesystem ist die Rente auf Gedeih und Verderb an die Zahl der nachwachsenden Erwerbstätigen gekoppelt. Das heißt: Nur eine ausreichende Zahl an Erwerbstätigen kann die Vorgängergeneration im Alter versorgen.

 

Frage: Woher kommen die jungen Erwerbstätigen? Doch wohl von Eltern, die sie über 20 Jahre und mehr versorgt haben, und zwar nicht auf Staatskosten, sondern zum großen Teil aus privater Tasche. Nun verzichten schon seit einigen Jahren mehr als ein Viertel der jungen Leute auf Nachwuchs. Damit kann man flott leben, ohne sich zu solidarisieren.

 

Die Eltern, Väter und Mütter, können über viele Jahre keinen Groschen für eine private Altersversorgung beiseite legen. Aber sie liefern der Gemeinschaft wohlerzogene, gebildete, stabile Kinder. Ist das kein Rentenbeitrag? Ist das nur ein Hobby?

 

Für unser Rentensystem ist Kindererziehung als generative Leistung so gut wie nichts, und für die medialen Diskussionen nicht einmal eine Silbe wert. Am Ende sind es wieder die Eltern, die die geringsten Renten bekommen, weil sie ja -zig Jahre für ihre Kinder da waren.

 

Ergo: Kinderlosigkeit hat Konsequenzen für die Solidargemeinschaft. Jeder darf selber entscheiden, ob er Kinder haben will. Aber er sollte dann auch die Konsequenzen tragen müssen und sich im Alter nicht von den Kindern versorgen lassen, die von fremden Eltern unter großen Lasten aufgezogen wurden.

 

Frau Breymaier betonte, die Rentendebatte müsse zwischen ARM und REICH geführt werden. Ich sage: Sie muss zwischen denen geführt werden, die Nachwuchs aufziehen und denen, die sich diesen Beitrag ersparen.

 

Sehr geehrter Herr Steinbrecher, ich sehe, wie sich Ihre Stirn in Falten legt, denn für einen TV-Moderator ist diese Wahrheit ein zu heißes Eisen. Daher wird in keiner Diskussion die Nachwuchsfrage erörtert. Niemand will einsehen, dass er auf Kosten anderer schmarotzt. Sagen Sie jetzt bloß nicht, Kinderlose zahlten ja mehr Steuern. Schauen Sie sich den Horizontalen Vergleich zum frei verfügbaren Einkommen an, der jährlich vom Deutschen Familienverband erstellt wird. Bereits mit zwei Kindern gerät die Familie mit einem Jahreseinkommen von 35 000.- mit 1603.- unter ihr Existenzminimum, mit 4 Kindern beträgt der Verlust bereits 11 095.- , trotz Kindergeld. Der Single mit dem selben Jahresgehalt behält in diesem Kalenderjahr 13 421.- zur freien Verfügung. Das ist eine Differenz von 24 516.-!

 

http://www.deutscher-familienverband.de/jdownloads/Publikationen/Horizontaler_Vergleich_2016_web.pdf

 

Jede Rentendebatte verkommt zum belanglosen Plauderstündchen, Herr Steinbrecher, wenn die elementare Frage nach dem Nachwuchs vermieden wird.

 

Damit wünsche ich Ihnen eine gute Nacht und grüße beklommen

Bärbel Fischer

ELTERNINITIATIVE FÜR FAMILIENGERECHTIGKEIT

3 Gedanken zu „Plauderstündchen

  1. Liebe Frau Fischer,

    Sie legen wieder einmal richtig und mit der Geduld und dem Können einer gelernten Lehrerin den wichtigsten Sachverhalt dar, der dem Sozialstaat Bundesrepublik zugrunde liegt: Das Rentensystem ist ein Umlageverfahren, es funktioniert nur, wenn jederzeit genügend gut erzogener und gut ausgebildeter Nachwuchs zur Verfügung gestellt wird, was nur Familien leisten können und immer noch leisten. Wenn nun die Kinderlosen zu Gewinnern, die Eltern zu Deppen gemacht werden, sägt die Gesellschaft den Ast ab, auf dem sie sitzt. Jede Talkrunde, die diesen einfachen, von jedem Kind einzusehenden Sachverhalt ignoriert, ist unnütz, ja verlogen.
    Der Sozialstaat ist eine sehr junge Einrichtung. Seit Jahren strömen in unser Land Menschen aus Gesellschaften, welche diese Einrichtung nicht kennen, sondern denen noch das uralte Modell vertraut ist, nach dem die eigenen Kinder die eigenen Eltern versorgen und alle anderen auf das Wohlwollen der Versorgten angewiesen sind, sprich: mehr oder weniger Bettler sind. Diesen Menschen wollen wir nun weismachen, dass sie unsere Werte übernehmen sollen. Aber diese Menschen sehen doch, wie unsere Gesellschaft sich zugrunde richtet. Wir bieten das groteske, jämmerliche Bild eines Volkes, das ums Goldene Kalb tanzt und dabei seine Ressourcen zugrunde richtet. Wobei die Tänzer keiner Mahnung, ja keiner Beeinflussung durch die sie umgebende Wirklichkeit mehr zugänglich sind (das heißt im Merkeldeutsch „postfaktische Gesellschaft“). . Kein Wunder, dass eine Parallelgesellschaft entsteht. Denn warum sollen die Zuwanderer einen faulen Apfel annehmen? Sie werden ihn wegwerfen und ihr uraltes Modell weiter pflegen. Mit dem faulen Apfel werden sie auch die vielen guten noch genießbaren, ja einzigartig wertvollen Teile der Frucht wegwerfen; das wird es dann für lange Zeit gewesen sein mit der hochgelobten abendländischen Kultur.

  2. Liebe Frau Fischer,

    ich möchte Ihnen wieder einmal voll und ganz zustimmen. Auch mich ärgert es masslos, dass bei keiner, wirklich gar keiner Debatte um das Thema Rente das Thema Kinder zur Sprache kommt. Selbst bei sogenannten „Experten“ mit Doktor-Titel geht es immer nur um Beitragszahlungen und wie man diese erhöhen kann, z. B. durch zusätzliche Einzahlungen von Beamten oder Selbständigen. Woher diese Einnahmen aber kommen sollen, wenn junge Beamte oder Selbständige zur Versorgung der Alten fehlen, sagt keiner.
    Allein von daher sind all diese Debatten lächerlich bis peinlich. Jedes Kind weiß, dass die Alten nur von Jungen versorgt werden können, und dass es dafür erst einmal Junge geben muss. Nur unsere Politiker, Journalisten und Experten blenden diese einfache Wahrheit so penetrant aus, dass es kein Fehler mehr sein kann, sondern gezielte Absicht.

    Keiner traut sich, dem Wahlvolk ins Gesicht zu sagen, dass es ohne ausreichend Nachwuchs kein Auskommen im Alter geben kann.

    Als 1957 das heutige Rentensytem entwickelt wurde, wurde es auch aus dem Grund so gestaltet, damit alte Menschen, die wegen des Krieges keine Einzahlungen in Sozialsysteme hatten leisten können, versorgt werden konnten. Über Nacht bekamen Millionen alter Menschen Renten, ohne je einen einzigen Cent in eine Sozialkasse eingezahlt zu haben. Daran sieht man deutlich, dass die Rente nicht „selbst erarbeitet“ ist. Der Schöpfer des Rentensystems, Prof. Schreiber, war ein kluger Mann und sah schon damals voraus, dass es zu „parasitären Zuständen“ (seine Wortwahl) führen werde, wenn man sich im Alter auf die Kinder anderer Leute verlassen könne. Daher schlug er die „Kinderrente“ vor, d. h. auch alle Kinder erhalten Renten, damit die Kosten für ihre Aufzucht von der Allgemeinheit und nicht privat von den Eltern getragen werden. Doch Konrad Adenauer strich genau diese „Kinderrente“ aus dem Entwurf mit seinem berühmten Zitat „Kinder kriegen die Leute immer“.

    Heute ist das widerlegt: ein Drittel der jungen Erwachsenen verzichtet bewusst auf Kinder, womit die von Prof. Schreiber vorausgesagten „parasitären Zustände“ eingetreten sind.
    Ich frage mich daher, warum alle Politker und Journalisten so vehement an diesem Rentensytem festhalten, von dem von Anfang an feststand, dass es so nicht funktioneren kann. Was spricht gegen eine echte Rentenreform, die die Ausbeutung der Eltern beendet und jedem die Entscheidung freistellt, ob er Kinder will und damit im Alter versorgt ist, oder ob er keine Kinder will und im Alter von selbst Erspartem leben will? Mit den eingesparten Kinderkosten wäre das leicht möglich.

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