„postfaktisch“ – Wort oder Unwort des Jahres 2016?

Unter dem Titel: „Gefährliche Halbwahrheiten“ prangert der Leitartikler der Schwäbischen Zeitung vom 10. 12. 2016 die Unart zahlreicher Bürger an, sich Fakten zu verschließen und in der politischen Diskussion mit Halbwahrheiten um sich zu werfen. Daher begrüßt er die Wahl des Adjektivs „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016. 

Leserbrief

 

Die Wortschöpfung „postfaktisch“ wurde zum Wort des Jahres 2016 gekürt, um den Bürger wieder zur Vernunft zu bringen. Doch Halbwahrheiten erscheinen mir weniger gefährlich als der Begriff „postfaktisch“ selbst, denn damit werden die kritischen Argumente von Bürgern als aus der Luft gegriffen, emotional und deshalb unbegründet verworfen. Und das ist das exakte Gegenteil dessen, was Politik und Medien andauernd beschwören, nämlich die Argumente der Kritiker ernst nehmen zu wollen.

Ist es nicht so, dass vonseiten unserer Regierungen selbst in den letzten Jahrzehnten reale Fakten konstant ignoriert wurden, z. B. wachsende Kinder-, Familien- und Altersarmut, das demographische Defizit, ein immer brutaler werdender Arbeitsmarkt etc.?

 

Für mich hat das postfaktische Zeitalter mit der Missachtung der Bürgermeinung schon Jahrzehnte früher begonnen. Daher wundert mich gar nicht, dass viele Zeitgenossen heute von Politik und Medien maßlos enttäuscht sind. Den Begriff „postfaktisch“ halte ich eher für das Un-wort des Jahres 2016, weil sich damit famos jede Verantwortung auf den dummen Bürger abwälzen lässt.

Bärbel Fischer